Was ist eine gute Mutter?

Ich fuhr nach Zürich, um eine frischgebackene Mutter zu besuchen. Da las ich den Titel im Stern: Die Teilzeit-Falle. Und der Stern wurde mein.

Der Artikel handelt von Müttern in Führungspositionen oder anderen anspruchsvollen Aufgaben. Sie arbeiten nicht nur, sie tun noch alles das, was Mütter, die nicht einem bezahlten Job nachgehen, auch tun. Diese Frauen sagen alle, sie hätten einen hohen Anspruch. Sie wollten in allem gut sein oder so gut wie möglich. Die Väter sind meist in zeitintensiven Tätigkeiten eingebunden, so dass ihr Pensum an Kinderbetreuung sehr bescheiden ist.

Es ist immer das gleiche Bild, das ich serviert bekomme! Frauen, deren Leben sich komplett ändert, wenn ein Kind oder mehrere kommen. Männer, die ihr Leben fast nicht ändern, wenn sie Nachwuchs bekommen, ausser sie arbeiten mehr. Fakt ist, dass all diese Frauen das Damokles-Schwert der „guten-Mutter-sein-wollen“ spüren. Aber was ist eine gute Mutter? Und vor allem wer definiert das?

Seien wir doch ehrlich! Das Bild einer guten Mutter ist immer noch das klischierte Phantom der Vollzeit-Mutter, die sich zärtlich um ihre Kinder kümmert und jederzeit bereit ist für ihre Kids. Und diese Vorstellung ist fest in unseren Köpfen verankert. Es geistert sogar in meinem Kopf und meine Mutter hat immer gearbeitet.  Meine Mutter arbeitete Vollzeit und zuhause schmiss sie noch den ganzen Haushalt.

Wenn wir nun ach so modernen Frauen mit so einem Mutterbild ein Kind bekommen, ist der Frust programmiert.  Wir glauben, wir seien emanzipiert und hätten ein anderes Rollenverständnis. Und kaum sind unsere Kleinen da, spüren wir ganz tief im Innern der Mutterwurm sich winden. Und wir stehen uns plötzlich selber in der Sonne, nebst all den sonderbaren Ansichten der Umwelt, die uns in den Schatten stellen wollen.

Und wir stehen wieder vor der Frage: Was ist eine gute Mutter? Eine, die automatisch ihr Arbeitspensum reduziert oder ganz aufhört? Wo gibt es Frauen, die uns zeigen können, wie eine „gute“ Mutter sein könnte? Oder genügt es nicht einfach sich selber zu sein und sich selber zuzugeben, dass man nicht perfekt ist und es nie, aber auch gar nie, sein wird?

Meine Freundin wird Teilzeit arbeiten wie ich seit einigen Monaten. Sie kehrt in ihren alten Job zurück. Sie hat sich ihre Tätigkeit mit einer anderen Mutter aufgeteilt. Beide arbeiten 60 % und sie werden den Finanz- und Personalbereich einer Abteilung bei der ETH führen. Ich bin gespannt auf das, was sie mir erzählen wird, wenn sie wieder arbeitet.

by canela

6 Gedanken zu “Was ist eine gute Mutter?

  1. Ich glaube, dass wir (ob Mutter, Vater, Angestellter, Künstler und Weißderteufelwas) uns unseren Druck meist selbst machen.
    Der eigene Perfektionismus (denn anderen gestehen wir zu, nicht perfekt zu sein) ist sicher in der Kindheit gelernt. Wir sind eben alle keine reinen Vernunftswesen (ja, auch Männer nicht 🙂 )

  2. @ngb: ja vieles machen wir selber.

    aber es geht hier darum, dass manche mütter zwar aufgeklärt sind, aber immer noch ein mutterbild im kopf haben, dass es so real nie gab. ich ertappe mich nämlich auch dabei, einem ideal nachzueifern, das nur konstruiert ist.

    was männer betrifft, liess mal hier: wann ist ein mann ein mann?

  3. Erschreckend, wie eng manche die Grenzen zur Männlichkeit setzen.
    Und erstaunlich wo sie diesen Stacheldraht ziehen. 🙂
    Ich habe heute im Büro einen höheren Schreibtisch bekommen (by the way: bei Schreibtischen kommt es auf die Größe an!) und habe die Gelegenheit genutzt, mit dem Staubsauger über die Stelle zu gehen, an der der alte stand. Ich erntete erstaunte Blicke, weil das nicht typisch ist für einen Mann.
    Männlich ist, was ein Mann tut, und wenn es Geschirrspülen oder Peeling ist. 😀

  4. Habe auch bei annabelle.ch gelesen und finde es auffallend, dass besonders die jüngeren Männer diese ‚klassisch männlichen‘ Werte angeben: Karriere, Abgestumpftheit, Haare auf der Brust…
    Erst die etwas älteren, nach einiger Erfahrung wahrscheinlich, sehen differenzierter. Ich glaube mich erinnern zu können, dass ich als Jungspund einen höheren Druck empfand, was das Einpassen in vorgegebene Rollenmuster angeht.

    So brauchen wir wahrscheinlich die täglichen Situationen und Erfahrungen um irgendwann nicht nur zu wissen, sondern auch zu spüren, dass wir dann die perfekte Mutter/der perfekte Vater sind, wenn wir die Suche danach beenden und unseren Kindern Menschen vorleben, die die eigenen Stärken und Wünsche erkannt haben und nach individuellen Prioritäten leben. Oder so…

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